12.02.2024
EU verzögert Berichtspflichten für Bergbau, Gas und Öl
Das Europäische Parlament und der Rat der EU haben sich am Mittwochabend (7. Februar) auf eine zweijährige Fristverlängerung für Berichtspflichten für Unternehmen im Bergbau und den fossilen Energien geeinigt.
Quelle: enerNEWS-Partner Euractiv Konkret geht es um sektorspezifische Standards im Rahmen der EU-Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Due Diligence Directive, CSRD). Die am Mittwoch erzielte Einigung werde den Unternehmen mehr Zeit bei der Vorbereitung auf die sektorspezifischen Berichterstattungsvorschriften geben, erklärte der Rat, welcher die EU-Staaten vertritt, in einer Erklärung. Die Vorgaben werden im Juni 2026 verabschiedet, zwei Jahre später als ursprünglich geplant, heißt es weiter. Belgien, das derzeit die rotierende Präsidentschaft des Rats innehat, begrüßte die Einigung und erklärte, sie entspreche der Agenda zur „Stärkung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit“ und „zur Verringerung des Verwaltungsaufwands für Unternehmen.“ „Die heutige Einigung beschränkt die Anforderungen an die Berichterstattung auf ein Minimum und gibt den Unternehmen Zeit, die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESRS) umzusetzen und sich auf die sektoralen Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung vorzubereiten“, sagte Vincent Van Peteghem, stellvertretender belgischer Premierminister und Finanzminister. Warnung von Akademikern Die im Januar letzten Jahres in Kraft getretene EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) verpflichtet börsennotierte Unternehmen, Informationen über soziale und ökologische Risiken ihrer Geschäftstätigkeit offenzulegen. Seit Januar dieses Jahres gelten die ersten allgemeinen Berichterstattungsstandards – die Europäischen Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (ESES) – für große Unternehmen in allen Wirtschaftssektoren. Danach sollten spezifische Berichtsstandards für Sektoren wie Öl und Gas, Bergbau, Straßenverkehr, Textilien sowie Landwirtschaft und Fischerei folgen. Ein Entwurf der sektorspezifischen Standards wurde wohl bereits von einem technischen Gremium (EFRAG), das die Europäische Kommission berät, entworfen und stand kurz vor der Veröffentlichung. Doch im Oktober letzten Jahres schlug die EU-Kommission vor, die Veröffentlichung um zwei Jahre zu verschieben, basierend auf einer Empfehlung des Gremiums. Dieser Schritt löste bei einer Gruppe von 21 Akademikern Besorgnis aus, die vor der Sitzung am Mittwoch ein Schreiben an die Europäische Kommission schrieben, um ihre Bedenken zu äußern. „Als akademische Gemeinschaft sind wir besorgt über den aktuellen Vorschlag, die Branchenstandards um zwei Jahre zu verschieben“, heißt es in dem Schreiben, das von Professoren von der Universität Bamberg und der Universität Nimwegen verfasst wurde. „Dieser Vorschlag gefährdet nicht nur den unmittelbaren Nutzen von Branchenstandards für die nachhaltige Entwicklung und den Finanzsektor, sondern entzieht den Unternehmen auch die Orientierung für ihre Berichtspflicht gemäß der CSRD“, warnt die Gruppe um den Bamberger BWL-Professor Frank Schiemann. Das Schreiben wurde von 21 Akademikern aus ganz Europa unterzeichnet, darunter Professoren der Universität Groningen, der Universität Trient, der Wirtschaftsuniversität Krakau und der EM Strasbourg Business School. In dem Schreiben betonen die Akademiker die unmittelbaren Vorteile einer höheren Transparenz in der Unternehmensberichterstattung und weisen darauf hin, dass „die Zahl der Minenunfälle nach einem von der US-Börsenaufsichtsbehörde für die Kontrolle des Wertpapierhandels (SEC) erlassenen Offenlegungsmandat“ zurückgegangen ist. „Die Unternehmen müssen jetzt mit der Berichterstattung beginnen, und sektorale Standards können bei der Wesentlichkeitsanalyse von entscheidender Bedeutung sein“, argumentierten sie und forderten die Kommission auf, die von dem technischen Gremium bereits weitgehend ausgearbeiteten Standards zu übernehmen. „Die unverzügliche Einführung von Standards für Sektoren mit großen Auswirkungen ist von entscheidender Bedeutung. Bis 2026 sollten alle von der EFRAG identifizierten Sektoren mit großen Auswirkungen umfassend berücksichtigt werden“, schrieben die Akademiker. Sie schlugen vor, die zweijährige Fristverlängerung als Gelegenheit zu nutzen, um Pilotprojekte durchzuführen und „sektorspezifische Fragen wie Wesentlichkeitsanalysen oder Übergangsstrategien und -pläne zu behandeln.“ Zuspruch bei der EVP Im Europäischen Parlament stieß die zweijährige Fristverlängerung der Vorschriften dagegen auf Zustimmung. „Alle haben endlich verstanden, dass die Unternehmen nicht jedes Jahr mit neuen Standards überfordert werden können“, sagte Axel Voss, CDU-Abgeordneter der Mitte-Rechts-Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP). „Man hat zu viel Bürokratie in Kauf genommen in den Krisenjahren, angefangen bei der Coronapandemie bis hin zur Inflation. Es gibt auch einen Qualitätsmangel, wenn man sich nicht die Zeit nimmt, solche Standards auf praktische Art und Weise zu entwickeln“, sagte er. „Wir mussten hart gegen die EVP kämpfen, um sicherzustellen, dass wir in Sektoren, für die die Standards fast fertig sind, keine Zeit verlieren“, sagte Pierre Karleskind, ein liberaler Abgeordneter der Fraktion Renew Europe im Parlament. „Öl, Gas und Bergbau sind risikoreiche Sektoren und mit dieser Vereinbarung müssen sie früher als andere Sektoren mit der Berichterstattung beginnen“, kommentierte er in einer E-Mail an Euractiv. Im Rahmen der Richtlinie über die Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (CSRD) müssen Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern und einem Umsatz von 40 Millionen Euro ökologische, soziale und Governance-Risiken (ESG) sowie die Auswirkungen ihrer Aktivitäten auf die Umwelt und Menschen offenlegen. Für kleinere börsennotierte Unternehmen gelten weniger strenge Berichtsstandards. Sie können sich bis 2028 von diesen Standards befreien lassen. [Bearbeitet von Zoran Radosavljevic] |